Freewriting: Die Kunst einfach drauf los zu schreiben

Was ist das Freewriting und wie kannst du es für dich nutzen – und in Zeiten der KI schreibend von anderen abheben.

Wie ist das einfach drauf los zu schreiben, die Gedanken fließen zu lassen, die Hand über die Tastatur treiben oder den Stift für einige Zeit nicht absetzen?

Es klingt auf alle Fälle einfacher als es ist. Das weiß ich aus meiner eigenen Erfahrung. Ich habe Freewriting um 2006 herum kennen gelernt. Beim ersten Versuch in einem Schreibseminar war es ein komisches Gefühl wirklich los zu lassen, die Kontrolle abzugeben und einfach nur das zu schreiben, was aus dem innersten kommt. Nach dem Ende der Übung war ich überrascht, wie viel Text man in so kurzer Zeit zu einem Thema produzieren kann. Und noch überraschter war ich beim Durchlesen: Da waren wirklich brauchbare Ansätze und Formulierungen mit dabei.

Seit diesem AHA-Erlebnis bin ich eine begeisterte Anhängerin des Freewritings und setze es (un)bewusst in meiner täglichen Arbeit als Journalistin ein. Dabei sehr gerne in Kombination mit dem Clustering von Gabriele Rico. In meinen Seminaren, egal zu welchem Thema, lasse ich meine Teilnehmerinnen oft als Einstieg Freewritings verfassen – und auch sie erleben das gleiche AHA-Gefühl wie ich damals.

Im Zuge der Schreibberaterausbildung lernte ich die Methode von ihrer theoretischen Seite kennen und beschäftigte mich intensiv mit dem Freewriting im beruflichen Kontext: Wo kann man Freewriting in der beruflichen Textproduktion einsetzen, was kann man mit ihr erreichen und wo liegen die Grenzen?

Woher stammt die Methode Freewriting? Freewriting als writing to learn strategy

Unter dem Label “writing as a mode of learning” oder “writing to learn” wurde in den vergangenen Jahrzehnten eine große Sammlung an Schreibmethoden und -techniken zusammengetragen, die helfen, Information zu verarbeiten und Einsichten und Erkenntnisse zu gewinnen. Dieser schreibdidaktische Ansatz geht auf Janet Emig zurück. Eine der wichtigsten Thesen von Janet Emig ist, das Schreiben als Prozess und Produkt eine einzigartige und zugleich besonders leistungsfähige Lernstrategie repräsentiert (writing to learn strategy).

Eine dieser writing to learn strategy ist das Freewriting.

Freewriting ist eine Technik, die zur assoziativen Schreibmethode wird, wenn sie gezielt eingesetzt wird, um den inneren Kritiker zu entgehen. Dabei wird für eine bestimmte kurze Zeit, fünf bis zehn Minuten, einfach drauf los geschrieben, ohne zu stoppen, ohne Überarbeitung oder Korrektur.

Freewriting-Methode nach Peter Elbow

Viele Menschen meinen, sie können nicht schreiben – das war für Peter Elbow der Ausgangspunkt für die Entwicklung seiner Freewriting-Methode. Dem zugrunde liegt die Beobachtung, dass viele eine völlig falsche Vorstellung vom Schreibprozess haben. Beim Schreiben möchte man möglichst nie die Kontrolle verlieren und gleich vom Start weg perfekte Texte produzieren. In der Praxis funktioniert das meistens nicht.

Für Elbow ist das Freewriting der effektivste Weg, um das eigene Schreiben zu verbessern. Unerwünschte Gefühle und Gedanken dürfen dabei zum Vorschein kommen und haben ihren Platz in der Textproduktion genauso wie die eigene Schreibstimme. Durch die zu frühe Korrektur der Texte verstummt diese leider sehr oft.

Freewriting hilft, diese Stimme wieder zu finden.

Natürlich wird mit dem Freewriting viel Unnötiges oder Müll produziert. Doch es ist besser, der Müll ist am Papier und landet dann im Papierkorb, als wenn er den Kopf vergiftet, meint Elbow. Den Schreibprozess mit Freewriting umschreibt er als ein Wachsen. Dabei wachsen nicht nur ein Text mit jeder Phase, sondern auch wir selbst.

Was ist Freewriting genau?

Auf den ersten Blick scheint Freewriting Schreiben ohne Methode und Technik zu sein. Doch der Schein trügt. Hinter Freewriting steckt einiges.

Freewriting oder freies Schreiben ist eine Arbeitstechnik, die einen direkten Einstieg in das Schreiben und in ein Thema gewährleistet. Traditionell wird die Technik am Beginn einer Schreibaufgabe eingesetzt. Freewriting ist die einfachste Methode, um in den Schreibfluss zu gelangen.

Wie funktioniert Freewriting Schritt für Schritt?

Im Mittelpunkt steht das Einfach-drauf-los-schreiben, ohne auf Formulierungen, Gliederungen, Grammatik oder sonstiges zu achten. Es wird nicht gestoppt, die Konzentration liegt auf sich und seinen Gedanken. Innerhalb eines kurzen Zeitraumes entsteht eine Fülle an Text, eine erste Rohfassung. Diese birgt oft viele Ideen und neue Ansätze in sich. Auch schnittige Formulierungen finden sich beim anschließenden Durchlesen. Sie kann man im Sinne von Textrecycling übernehmen.

Beispiel für eine Freewriting-Aufgabe

  • Nehmen Sie sich 10 Minuten Zeit. Legen Sie sich ausreichend Papier sowie einen Stift bereit und beginnen Sie sofort mit dem Schreiben.
  • Denken Sie nicht darüber nach, was oder wie Sie etwas schreiben, schreiben Sie einfach drauf los.
  • Schreiben Sie so schnell wie möglich, ohne eine Pause oder ein Stoppen.
  • Notieren Sie alles, was Ihnen gerade durch den Kopf geht.
  • Fällt Ihnen nichts mehr, hören Sie nicht auf zum Schreiben, sondern schreiben Sie über diese Gedankenleere.

Wie lange sollte man beim Freewriting schreiben?

Nach fast 20 Jahren Erfahrung kann ich sagen fünf bis zehn Minuten sind ideal. Ich setze mir immer ein Zeitlimit mit einer Küchenuhr. Es geht aber auch ein Timer oder Countdown am Handy.

Was mache ich, wenn mir beim Schreiben nichts einfällt?

Weiterschreiben. Ringel, Kreisel, Loopings. Schreib hin, dass dir nichts einfällt. Egal. Hauptsache die Hand bleibt in Bewegung. Das macht etwas mit uns. Hör nicht auf. Gib nicht auf. Vertrau darauf. Irgendwann kommt der Flow. Die perfekte Schreibwelle.

Muss ich beim Freewriting auf Rechtschreibung und Grammatik achten?

Das ist beim Freewriting vollkommen egal. Schalte deinen inneren Kritiker und Perfektionisten auf lautlos. Du kannst in Sprachen wechseln, Halbsätze schreiben oder einzelne Wörter.

Der Text ist nur für dich.

Im Anschluss an das Freewriting sollte der wichtigste Gedanke in einem Satz zusammengefasst werden. Dieser Satz kann der Ausgangspunkt für die nächste Textproduktion sein. Erst nachdem man einen Fokus gefunden und vielleicht mehrere Texte produziert hat, folgt die Überarbeitung und die Korrektur.

Der Anfang ist beim Schreiben für viele das Schwerste. Im Gegensatz zum alltäglichen Schreiben sind beim Freewriting Chaos und Gefühle erlaubt. Die Kontrolle wird bewusst aus der Hand gegeben.

Es dauert ein wenig Übung bis man mit der Methode vertraut ist. Einmal erlernt und eingeprägt kann man Freewriting immer wieder – zwischendurch, für vieles – einsetzen.

Mittlerweile verwende ich die Methode auch schon oft unbewusst, ohne es zu merken. Wie in diesem Moment, wo ich über meine Erfahrungen schildere und versuche meine Begeisterung für die Technik in Worte zu kleiden.

Was kann Freewriting und wie unterscheidet sich Freewriting von anderen Schreibmethoden?

 Freewriting hilft einen schnellen Einstieg in den Schreibfluss zu finden, gibt der eigenen Stimme Raum und stellt den Kontakt zum Thema her. Das Ziel von Freewriting ist unterschiedlich und richtet sich nach dem Schreiber. Unerfahrenen Schreibern kann es helfen in den Schreibprozess einzusteigen.

Erfahrene Schreiber können damit Schreibblockaden überwinden oder vor der eigentlichen Textproduktion den Kopf vom Gedankenmüll entrümpeln. Ein weiteres Ziel von Freewriting ist die Sammlung von Ideen und Themen sowie die Findung eines Textfokus.

Darüber hinaus spielt die Bewusstwerdung über die persönliche Einstellung zu einem Thema eine nicht unwesentliche Rolle.

Welche Themen eignen sich fürs Freewriting?

Allerdings hat Freewriting auch Grenzen. Bei familiären oder psychischen Problemen kann Freewriting nicht oder nur begrenzt weiterhelfen. Eine Schreibberaterin hat mir ein Beispiel aus ihrer Praxis erzählt. Eine junge Türkin kam zu ihr, weil sie es nicht schaffte ihre Magisterarbeit fertig zu schreiben. Erst nach mehreren Beratungen kam der eigentliche Grund für die Blockade zum Vorschein. Die junge Frau erzählte, dass sie nach Beendigung des Studiums zurück in die Türkei gehen sollten, das wollte sie aber nicht. Erst nach einem Gespräch mit ihrer Familie und nach der Bestätigung, dass sie auch nach Beendigung ihres Studiums weiterhin in Österreich bleiben könnte, schaffte sie es, ihre Blockade zu überwinden und stellte in kürzester Zeit ohne Probleme ihre Abschlussarbeit fertig. Diese Beispiel bringt einen neuen Aspekt ein: die Einflüsse auf die Textproduktion.

Freewriting im Job

Bei der Freewriting-Methode in der beruflichen Textproduktion spielt die Schreibumgebung eine wesentliche Rolle. Im Sinne von Hayes ist Schreiben eine soziale Aktivität, die durch Adressaten und Schreiber sowie dem Schreibmedium oder -werkzeug beeinflusst wird.. Dabei spielt es eine Rolle in welcher Position und welchem Bereich die berufliche Textproduktion geschieht.

Eine höher gebildete Eilte wie die Top-Manager leben ihre Macht auch über das Schreiben aus. Deutlich wird das vor allem in Fremdsprachen und Branchen-Jargons. Durch sie grenzt sich eine bestimmte Gruppe von der anderen ab. Daraus können gerade für „Neulinge“ in diesem Bereich Ängste und Hemmungen entstehen. Und damit wären wir bei einer zweiten wichtigen Komponente, dem Individuum.

Das Individuum beeinflusst nach Hayes den Schreibprozess und damit die Motivation mit all seinen Zielen, Werten, Glauben, Kosten und Benefits, das Arbeitsgedächtnis (Verwaltung, semantische, phonologisches und räumlich-visuelles Gedächtnis), das Langzeitgedächtnis (Wissen über das Thema, Publikum, Genre, linguistisches Wissen usw.) sowie die kognitiven Prozesse wie Text-Produktion, Interpretation und Reflektion. Aber auch der Zeitdruck, das nicht vorhandene Wissen über bestimmte Textsorten, Feedbacks von Kollegen, Vorgaben oder Erwartungen anderer sind immer wieder Thema in der beruflichen Textproduktion.

Reibungsprobleme beim Schreiben im Beruf

Selten kann in der beruflichen Textproduktion ohne weiteres mit dem Schreiben begonnen werden. Es bedarf textvorbereitender Maßnahmen, also Vorarbeiten. Solche Vorarbeiten umfassen zum Beispiel die Planung, das vertraut machen mit dem Thema, Einholen der Vorgaben, Aneignung einer Kommunikations- und Sprachkompetenz und nicht zuletzt Textkompetenz sowie Textwissen, sagt Pospiech.

Textwissen nach Pospiech ist…

…ein Wissen darüber, wie man Schrift produziert

…ein Wissen darüber, welche Anforderungen an Schriftsprache gestellt werden

…ein Wissen darüber, wie Texte adressatenorientiert gestaltet werden

…ein Wissen darüber, wie man Texte sprachlich und argumentativ beurteilt

…Wissen über Texte, das Planungs-, Formulierungs-, Beurteilungs- und Überarbeitungstätigkeiten steuert.

Das kann in Schreibkursen oder Onlinetreffs zum Beispiel trainiert werden.

Reibungsprobleme können entstehen, wenn das eigentliche Schreiben des Textes aufgrund der Vorbereitung aus dem Blickfeld verschwindet, die Vorbereitung und die Schreibaufgabe unterschätzt wird. Man wartet zu lange und verschiebt die Schreibaufgabe zu weit nach hinten. Es kann zu Schreibstörungen, ineffektiven Schreibprozessen, Schreibproblemen oder -blockaden kommen.

Hilft Freewriting gegen Schreibblockaden?

Ja, Freewriting hilft gegen Schreibblockaden. Wobei eigentlich meinen wir damit Schreibstörungen und Schreibprobleme. Diese lassen sich in der Praxis relativ einfach in den Griff bekommen.

Schreibprobleme äußern sich in einer zu starken Zergliederung des Schreibprozesses, in, Schwierigkeiten bei der Konzeptbildung oder Formulierungsschwierigkeiten. Die Ursachen dafür liegen laut Pospiech in

  • mangelnder Schreiberfahrung
  • mangelndem Wissen über den Schreibprozess
  • mangelndem Wissen über Funktion und Anforderung der Textsorte
  • Fehlannahmen über das kontextbezogene Schreiben
  • Fehlstrategien im Textproduktionsprozess

 Wie schon erwähnt haben Berufseinsteiger wenige Möglichkeiten Wege der beruflichen Textproduktion kennen zu lernen oder zu üben. Das führt zu Fehlannahmen über den Verlauf von Schreibprozessen, Texte können nicht linear auf den Schreibprozess umgelegt werden. Pospiech bezeichnet dies Produkt-Prozess-Ambiguität. Ein kompliziertes Wort. Muss sich niemand merken.

Als Common sense-Textwissen benennt sie Wissen, das sich in der Praxis bewährt und das Handeln im Alltag ermöglicht. Das sind sozial geprägte Routinemuster, die beim Übergang in einem Kommunikationsbereich in den anderen zu Problemen führen kann wie beim Übergang von der Universität in den Berufsalltag. Subjektive Wissensvorräte bestehen aus impliziten Grundelementen, Routinewissen, und explizitem Wissen, Sonderwissen.

Wie kann man diesen Reibungsproblemen in einem Unternehmen entgegenwirken bzw. diese verhindern?

In dem man Berufstätigen Raum und Zeit gibt, um Erfahrungen zu machen. Dazu gehören die Vermittlung von Textwissen sowie die Arbeit am Text dazu. Aber auch das Individuum kann selbst einige Abhilfen ergreifen und diese privat, außerhalb des Unternehmens, ausprobieren, reflektieren und dann in der beruflichen Textproduktion einsetzen. Das wäre zum Beispiel nach Pospiech die Änderung der Schreibstrategie oder das Ausprobieren von neuen Wegen in der Textproduktion und Textorganisation.

Kann Freewriting beim kreativen Schreiben helfen?

In der Schreibberatung oder in Schreibtrainings leite ich Schreibprozesse an, die mit kreativen Schreibaufgaben weitere Fähigkeiten in den Schreibprozess integrieren, eine Schreibentwicklung im Kleinen ermöglichen, die eigene Schreibpraxis und das Entstehen sowie die Nachvollziehbarkeit von Formulierungen fördern. Diesen Zugang hab ich von Pospiech. Mit Freewriting können Schreiberlinge für einen leichteren Schreibstart und mehr Selbstvertrauen sorgen.

Wie kann Freewriting die Selbstreflexion fördern?

Ja, absolut. Ich setze Freewriting hauptsächlich zur Selbstreflexion ein. Freewriting Texte sind in erster Linie privat, d.h. sie sollten nur weitergeben werden, wenn man das wirklich möchte. Das sollte man in Schreibberatungen und -trainings immer wieder betonen. Es soll kein leserwirksamer Text erzielt werden. Bräuer sagt: „Freewriting ist das Gespräch des Schreibenden mit sich selbst über einen zu verfassenden Text, ganz gleich, ob dieser im Momente eines konkreten freewritings bereits in Arbeit ist oder erst später aus dem Müll/garbage, wie Elbow so bildhaft formuliert, sich herauskristallisiert.“

Ist Freewriting eine Form von Tagebuchschreiben?

Nein. Freewriting ist eine andere Schreibtechnik als das Schreiben eines Tagebuches. Beim Tagebuchschreiben werden die Erlebnisse und Gefühle eines Tages chronologisch aufgeschrieben. Das Freewriting gibt den Gedanken noch viel mehr. Es ist nicht auf biografische Aspekte begrenzt und kann genauso für Themen im beruflichen Kontakt, der persönlichen Weiterentwicklung oder Selbstreflexion verwendet werden.

Kann Freewriting therapeutisch wirken?

Inzwischen wird die Technik in der Schreibtherapie und von Psychologen eingesetzt. In Zusammenarbeit mit Psychologinnen habe ich Freewriting bereits erfolgreich im Stressmanagement, mentalen Gesundheitsförderung und in der Burn-out-Präventation eingesetzt.

Wie wirkt sich Freewriting auf den inneren Kritiker aus?

Durch Freewriting bekommen Schreiberlinge den inneren Kritiker gut in den Griff und geben ihrer inneren Stimme sowie der Intuition wieder Raum.

Die Vorteile von Freewriting: die KI kann es nicht

Ich habe ChatGPT gefragt, welche Relevanz das Freewriting in der heutigen und zukünftigen Zeit haben wird. Die Antwort möchte ich nicht vorenthalten:

In Zeiten von Künstlicher Intelligenz (KI) bleibt Freewriting sehr relevant, und das aus mehreren Gründen:

  1. Förderung menschlicher Kreativität: KI kann Texte generieren und Ideen liefern, aber sie ersetzt nicht die einzigartige menschliche Kreativität, die beim Freewriting entsteht. Freewriting ermöglicht es, eigene Gedanken und Ideen zu entwickeln, ohne von vorgefertigten Algorithmen oder Mustern beeinflusst zu werden. Es ist ein Prozess der Selbstentdeckung und der persönlichen Entfaltung.
  2. Stärkung der kritischen Denkfähigkeit: Während KI bei der Texterstellung hilft, verlangt Freewriting von den Schreibenden, ihre eigenen Gedanken zu ordnen und kritisch zu hinterfragen. Der kreative Denkprozess wird durch das freie Schreiben stimuliert, was eine Fähigkeit ist, die KI nicht in derselben Weise entwickeln kann.
  3. Emotionale und therapeutische Vorteile: Freewriting hilft dabei, Gefühle und Gedanken zu verarbeiten, was eine tiefere emotionale Verbindung zur eigenen Person schafft. KI hat keine emotionale Intelligenz, um diese Art von tiefgründiger Selbstreflexion oder emotionaler Verarbeitung zu ermöglichen.
  4. Vermeidung von „Algorithmischer Uniformität“: KI-Modelle generieren Texte basierend auf bestehenden Daten und Mustern, was zu einer gewissen „Vereinnahmung“ des kreativen Prozesses führen kann. Freewriting bietet die Möglichkeit, der Norm zu entkommen und etwas völlig Eigenes zu schaffen, ohne den Einfluss von Algorithmen.
  5. Selbstbestimmung und Kontrolle: Beim Freewriting entscheidet der Schreibende selbst, was und wie er schreibt, ohne Einschränkungen durch KI-Generierungsmechanismen. Diese Autonomie im kreativen Prozess bleibt wichtig, um die eigene Stimme zu entwickeln und zu bewahren.
  6. Unvorhersehbarkeit und Originalität: KI kann zwar nützlich sein, um Ideen zu liefern oder bestehende Texte zu verbessern, aber Freewriting fördert den Zufall und die Spontanität. Es geht darum, neue Verbindungen zu schaffen und unerforschte Gedanken zu entwickeln, die durch KI nicht im gleichen Maße erzeugt werden können.
  7. Verbindung zur eigenen Identität und Stimme: Freewriting kann dazu beitragen, eine authentische, individuelle Stimme zu entwickeln, die in einer Welt von KI-generierten Texten besonders wertvoll bleibt. Es hilft dabei, sich selbst besser zu verstehen und eigene, unverwechselbare Ideen zu formulieren.

In einer Ära, in der KI oft als Werkzeug zur Effizienzsteigerung genutzt wird, bleibt Freewriting eine wichtige Praxis, um den kreativen und menschlichen Aspekt des Schreibens zu bewahren und zu fördern.

Na, das ist doch schon mal etwas oder? Sehen wir uns die Vorteile von Freewriting noch einmal aus der menschlichen Perspektive an:

  • Fördert Kreativität: Durch das ungehinderte Schreiben ohne Selbstkritik entstehen oft neue Ideen und Perspektiven.
  • Überwindet Schreibblockaden: Freewriting hilft, den Schreibfluss zu aktivieren und Blockaden zu lösen, indem man einfach loslegt.
  • Steigert den Schreibfluss: Regelmäßiges Freewriting verbessert die Schreibgewohnheiten und macht das Schreiben flüssiger.
  • Hilft bei der Selbstreflexion: Es bietet Raum, Gedanken und Gefühle zu ordnen und besser zu verstehen.
  • Verfeinert die Ausdrucksfähigkeit: Durch das kontinuierliche Üben von freiem Schreiben wird die Fähigkeit, Gedanken klar und präzise zu formulieren, verbessert.
  • Reduziert den inneren Kritiker: Da beim Freewriting keine Bewertung stattfindet, wird der Druck, „perfekt“ zu schreiben, verringert.
  • Erhöht das Vertrauen in den eigenen Schreibprozess: Es lehrt, dass auch ungeordnete oder „unfertige“ Texte wertvoll sind und entwickelt Vertrauen in die eigene Kreativität.

Warum ich Freewriting seit Jahrzehnten liebe und einsetze

Schreiben stellt für viele ein Problem dar. Irgendwann in ihrer Biografie haben sie die Freude am Schreiben verloren oder in der Schule nie vermittelt bekommen. Viele lernen in der Schule zwar das grammatikalische Grundgerüst für erfolgreiches Schreiben, aber es wird nicht oder nur selten auf den individuellen Schreibprozess, die berufliche Textprodukten, Textsortenwissen & Co. eingegangen.

Wofür ist Freewriting gut?

Schreiben ist für die meisten ein mühsamer Prozess – verbunden mit Qualen, Blockaden und Ängsten. Ich bin davon überzeugt, dass man mit kreativen Methoden berufliche Textproduktion erleichtern kann und neue kreative Wege zum Schreiben vermitteln kann. Freewriting kann den Weg hin zu einer neuen, persönlichen Schreibkultur ebnen, Mut und Spaß an der Textproduktion weitergeben. Mir gefällt dazu das Zitat von Gerd Bräuer, bei dem ich einst meine Ausbildung absolvierte:

„Es ist für jeden von uns möglich viel zu schreiben, mit Freude und Erfüllung und ohne zuviel Überwindung. Es ist für jeden von uns möglich herauszufinden, was er/sei wirklich meint und sagen möchte und dieses letztendlich klar aufs Papier zu bringen. Es ist für jeden von uns möglich, über Dinge zu schreiben, von denen andere lesen möchten. Wenn es Menschen gelingt mitzuteilen, was sie wirklich meinen bzw. in ihr Schreiben zu kommen, dann stellen Leser/innen gewöhnlich den Kontakt mit dem Auto her – eine Erfahrung, die die meisten Menschen suchen.“

In diesem Sinne möchte ich andere von meiner Begeisterung für das Freewriting anstecken.

Als ich mich 2008 bei meiner Schreibberaterin-Ausbildung intensiver mit der Methode beschäftigte, schrieb ich als Abschluss, dass ich diesen Text gerne mal später überarbeitet für einen Workshop einsetzen möchte.

2025 schmunzle ich darüber: Denn Freewriting ist inzwischen ein fixer Bestandteil meiner Workshops geworden und die Wirkung von einem Freewriting kann nie von Künstlicher Intelligenz oder KI ersetzt werden. Vielleicht ist es an der Zeit für einen eigenen Freewriting-Workshop. Jetzt hätte ich Lust darauf. Was denkt ihr darüber?

 

Aus der Schreibforschung

Habt ihr gewusst, dass es eine Schreibforschung gibt und vieles rund ums Schreiben wissenschaftlich erforscht ist. Hier habe ich ein paar Fachtexte aufgelistet, die unter anderem als Basis für diesen Text dienen. Für alle, die mehr wissen oder tiefer eintauchen möchten:

  • Bräuer, Gerd: Peter Elbows Konzept des freewritings als Paradigmenwechsel in der amerikanischen Schreibpädagogik In: Berning/Keßler/Koch (Hg): Schreiben im Kontext von Schule, Universität, Beruf und Lebensalltag, Berlin, Litverlag, 2006, 11-28
  • Elbow, Peter: Writing without Teachers, London, Oxford, New York, Oxford University Press, 1971, 3-75
  • Emig, Janet: The Composing Process of Twelfth Graders, Urbana, IL: NCTE, 1971
  • Hayes, John R.: A New Framework for Understanding Cognition und Affect in Writing In: Levy, C.M./Ransdall, S. (ebs.): The Science of Writing. Theories, Methods, Individual Differences, and Applications, New Jersey, LEA, 1996, 1-27
  • Hohl, Heidi: So macht Schreiben Spass, Mit Kreativitätstechniken zum Erfolg, Das E-Book für alle, die sich einen Überblick über die verschiedenen Methoden verschaffen möchten, Hohl Consulting, 2005-2008, Online im WWW unter http://www.hohl-consulting.ch
  • Pospiech, Ulrike: Schreibend schreiben lernen – über die Schreibhandlung zum Text als Sprachwerk, Essener Linguistische Skripte, E-Papiere zu Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik, Jahrgang 4, Beiheft 1, Dezember 2004
  • Rapp, Rune: Zusammenfassung “the web of meaning. essays on writing, teaching, learning and thinking“ von Janet Emig Online im WWW unter https://bscw.ph-bw.de/bscw/bscw.cgi/0/182291
  • Schiller, Erdmuthe: Zusammenfassung Peter Elbow, Writing without teachers, Kap. 1 und 2, Online im WWW unter https://bscw.ph-bw.de/bscw/bscw.cgi/0/182291
  • Thormann, Heike: Kreativ Denken und Schreiben, Wie Sie Kreativität und Denkvermögen fördern, E-Book, 2007, Online im WWW unter http://www.kreativesdenken.com

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